Ja, es ist eine neue Situation, wenn man plötzlich nicht mehr jeden Tag in die Schule, sprich in das Schulgebäude, geht und mit seinen Schülerinnen und Schülern von Angesicht zu Angesicht spricht und arbeitet, auch keine Kolleginnen und Kollegen zwischen den Unterrichtsstunden im Lehrerzimmer trifft, mit ihnen plaudert und Kaffee trinkt. Es „menschelt“ vielleicht weniger seit mehreren Wochen in unserem Job, aber: Wir reden, arbeiten, plaudern und blödeln nach wie vor miteinander, wenn auch nicht mehr alle gemeinsam unter dem Dach unseres Schulgebäudes auf Donaulände 64. Es gibt derzeit auch keine Prüfungen, Mitarbeitskontrollen oder Schularbeiten – der Part des normalen Schulbetriebes, auf den sich aus Schüler/innen-Sicht, unterstelle ich jetzt einmal, am leichtesten verzichten lässt -, trotzdem erfüllen wir die Lehrpläne, setzen uns in allen Fächern mit relevanten Stoffgebieten auseinander – ja, es findet Unterricht statt, es findet Schule statt, wenn auch in einer Form, die es so noch nicht gegeben hat.

Durch die Aussetzung des Unterrichts an allen österreichischen Schulen, die von der Bundesregierung im Zuge der COVID-19-Maßnahmen verordnet wurde, finden wir uns seit Montag, 16. März 2020, in einer völlig neuen Situation wieder. Das Unterrichten und Unterrichtet-Werden ist ein anderes geworden. Wir beschäftigen uns noch intensiver als bisher mit neuen und innovativen Lehr- und Lernmethoden, mit modernen digitalen Kanälen der Lehrer/innen-Schüler/innen-Kommunikation, sodass ein intensiver Austausch trotz der räumlichen Entfernung weiterhin möglich ist. Nach und nach entdecken auch jene unter uns, die bisher gegen das eine oder andere „Tool“, gegen den einen oder anderen digitalen Kanal, Vorbehalte hatten oder sich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt haben, um damit kompetent umgehen zu können – und ich selber bin hier das allerschönste Beispiel – die Nützlichkeit dieser Werkzeuge aus der digitalen Welt. Indem wir auf eine neuartige Art und Weise lehren (müssen), lernen wir eine Menge Neues, das sich auch nach der Rückkehr in den „Normalbetrieb“ mit „lebendigen Gegenübern“ weiterverwenden lässt. Wir werden alle digital fitter, technisch versierter, methodisch variantenreicher aus der Schulabstinenz zurückkehren, habe ich das Gefühl.

Der Lehrbetrieb an meiner Schule, der Handelsakademie und Handelsschule Tulln, ist aufgrund der Umstände auf ein so genanntes Distance-Learning umgestellt worden, Schüler/innen und Lehrer/innen lehren auf Distanz, ohne sich dabei aus den Augen zu verlieren.

Glücklicherweise sind wir, und zwar sowohl die Lehrer/innen als auch die Schüler/innen, durch unsere bisherige Arbeit und die Erfahrungen im „normalen“ Unterricht schon gut vorbereitet gewesen. Die Umstellung auf’s E-Learning war damit eine nicht allzu aufwändige oder schwierige. Nicht nur die Schüler/innen in unserem Ausbildungsschwerpunkt digit@l, sondern alle Klassen und Jahrgänge waren es auch vor der momentanen Ausnahmesituation gewöhnt, teilweise digital zu arbeiten, die vielfältigen Angebote, die es auf diesem Gebiet gibt, zu nutzen und ihre dementsprechenden Kenntnisse anzuwenden – alles Dinge, die uns nun sehr zugute kommen und uns dem Umstieg vom „Unterricht in der Klasse“ zum „Unterricht in den eigenen vier Wänden“ sehr erleichtert haben.

Konkret finden die Lernphasen bzw. die Kommunikation zwischen Schüler/innen und Lehrer/innen mittels verschiedener Lern-Plattformen, wie LMS oder Office-Teams, statt. Wir chatten, bleiben mittels E-Mails in Kontakt und halten Besprechungen mit den Klassen mittels Videokonferenz ab. Schüler/innen erhalten Arbeitsaufträge, laden ihre Lösungen und Ergebnisse hoch, ohne dass wir uns persönlich sehen oder Schüler/innen oder Eltern etwas aus der Schule abholen oder in die Schule bringen müssen. Das ist in dieser Intensität und Ausschließlichkeit so noch nicht dagewesen, aber das funktioniert und hat, das muss man auch sagen, den Reiz des Neuen, das durchaus auch spannend ist und die Arbeit im pädagogisch-didaktischen Home Office niemals langweilig werden lässt.

Die derzeitigen Schultage unterscheiden sich in der Form deutlich von denen bis 13. März, weniger in den Inhalten und im Zeitaufwand. Wie schaut nun der „typische Tag“ im Distance Learning aus – und ich spreche da einmal nur für mich.

Die Schule beginnt bei mir im Moment – man ist es halt so gewöhnt und der Biorhythmus hat das nach mehr als zwanzig Jahren im Langzeitgedächtnis gespeichert – kurz vor acht und spielt sich zu fast 100% vor dem Computer ab. Also ab ins Arbeitszimmer, PC hochfahren und schauen, was so eingetrudelt ist an Schüler/innen-Rückmeldungen: Da sind die abgegebenen Aufgaben in „Teams“, die man gleich am Computer korrigieren, mit Kommentaren versehen und an die Betreffenden zurückgeben kann – in Deutsch Aufsätze, Übungen zur Rechtschreibung und Grammatik, Powerpoint-Präsentationen zu gewissen Themen, in Geschichte Zusammenfassungen, das eine oder andere Quiz, das zu einem Video zu lösen war – und in beiden Fächern, die ich unterrichte, Präsentationen und Referate. Ja, das geht, auch wenn der oder die Betreffende nicht live vor seinen oder ihren Klassenkamerad/innen stehen kann. Schüler/innen filmen sich beim Referieren oder kommentieren Plakate oder Powerpoint-Präsentationen aus dem Off – vieles wird da plötzlich möglich im nicht alltäglichen Schulalltag. Zwischendurch gibt es immer wieder Fragen im Chat oder per Mail, weil irgendetwas nicht funktioniert, sich das eine oder andere nicht hochladen lässt (Netzüberlastung), ein Drucker das Zeitliche gesegnet hat, eine Webcam nicht das tut, was man von ihr erwartet, oder die Technik sonst irgendwie den Beweis antritt, das ihr manchmal doch nicht weiter zu trauen ist als bis zur nächsten USB-Buchse…

Wenn das alles aufgearbeitet ist, dann geht es an das Entwerfen neuer Arbeitsaufträge. Da wir zur Zeit ja keinen neuen Stoff vermitteln, sondern das bereits Gelernte vor allem wiederholen, festigen und vertiefen, gilt es, immer wieder etwas zu finden, das a) diesen Vorgaben entspricht, sich b) unter den derzeitigen Umständen auch technisch und im passenden Zeitrahmen umsetzen lässt und – ganz wichtig meiner Meinung nach – c) auch eine gewisse Abwechslung, im besten Fall sogar eine Art Unterhaltungswert, bringt.

Mittels Video- oder Audiochat ist es möglich, von den Schülerinnen und Schülern nicht nur zu lesen, sondern auch mit ihnen zu reden und sie zu sehen. So habe ich mich Anfang der Woche mit einem 5. Jahrgang, für den durch die bevorstehende Diplom- und Reifeprüfung eine ganz besondere und alles andere als leichte Situation entstanden ist, unterhalten.

Langweilig wird uns – und ich kann da sicher für die meisten Lehrer/innen sprechen – auf diese Weise ganz und gar nicht, der Austausch zwischen Lehrer/in und Schüler/innen ist zum Teil intensiver als sonst und die Arbeit geht weiter für alle Beteiligten – ein Grund, weshalb wir alle mit dem in manchen Medien verwendeten Begriff von „Corona-Ferien“ – sagen wir es freundlich – wenig anfangen können.

Aufgelockert werden diese „eigenartigen Schultage ohne Schulgebäude“ durch den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen mittels Telefon oder Nachrichten und durch Aktionen wie die gestrige „Lehrer/innen-Challenge“ der HAK/HAS Tulln, in der wir über die sozialen Medien (Facebook, Instagram) und die Schulhomepage (www.haktulln.ac.at) mittels Fotos und Kurzbotschaften unseren Schülerinnen und Schülern einerseits für ihr tolles Mittun und Durchhalten danken, und sie andererseits ermuntern und ermutigen, sich ihr Engagement und ihre Freude an der „Schule ohne Schulhaus“ auch weiterhin zu bewahren

Siehe:
http://www.haktulln.ac.at/haktulln-schauaufdich-bleibdaheim-stayhome
https://de-de.facebook.com/haktulln.ac.at/

Fazit: Wir sind optimistisch und fröhlich und wir kommen mit der neuen, fast will man als Geschichtswissenschaftler sagen: historischen Situation überraschend gut zurecht, wir bleiben aktiv und bleiben zu Hause – und doch freuen wir uns alle, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und die Direktion schon heute darauf, wenn es wieder jeden Tag zur Schule nicht nur die paar Schritte ins Arbeitszimmer, an den Schreib- oder Küchentisch geht, sondern zur Donaulände 64.

P.S.: Auch ein „Opfer“ der COVID-19-Maßnahmen wurden die Aufführungen unseres für Ende April geplanten neuen Schoolicals „Lumpacivagab&us. Das Nigelnagelnestroy-Schoolical“, die wir – genauso wie den geplanten Probenworkshop in Absdorf – absagen mussten. Die Rollen waren besetzt, die Texte verteilt, die ersten Leseproben absolviert, die Plakate und Flyer gedruckt. Doch freuen wir uns alle schon darauf, wenn unser großes künstlerisches Projekt im Jahr 2021 über die Danubium-Bühne geht. Und wenn Johann Nestroy sagt: „Die Welt ist die wahre Schule, denn da lernt man alles von selbst.“, so beweisen wir alle – und nicht nur die, die in der Schule tätig sind – täglich, dass er recht damit hatte.

Mag. Christoph Helfer